Jetzt ist es also soweit. Simon Lundström, der Manga-Experte und -Übersetzer aus Schweden, wurde wegen dem Besitz von Kinderpornographie verklagt. Unter seinen 3 Millionen Bildern seiner riesigen Manga-Sammlung seien laut dem Rechtsspruch 39, die als pornographische Darstellung von Kindern gewertet werden. Die Tatsache, dass Manga, die schon ganz generell mit einem kindlich-lieblichen Look arbeiten, mittlerweile überhaupt zur Kinderpornographie zählen können, verdanken wir einigen Gesetzesverschärfungen, die auch die virtuelle, sexuelle Darstellung im Rahmen von Minderjährigen betrifft.
So hab ich mich schon bei der deutschen Veröffentlichung des von mir hoch geschätzen Animes Elfen Lied gewundert, dass der ADV so ein Risiko einer ungeschnittenen Version eingegangen ist. Schließlich ist die Serie nicht nur dauerhaft sexuell aufgeladen, auch vor der drastischen Darstellung einer Kindvergewaltigung schreckte Autor Lynn Okamoto nicht zurück. Nicht falsch verstehen: Elfen Lied ist trotz seines Spiels mit dem Feuer unserer archetypischen, hier fast schon stereotypisch-stilisierten Geschlechtsdefinitionen weit jenseits eines Doing-Gender-Ansatzes, und seiner gleichwohl noch relativ freud’scher Psychoanalyse eine durchweg menschliche Geschichte. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass der große Erfolg der Elfen-Lied-Saga bei (nebenbei bemerkt) beiderlei Geschlechts gerade auf eine gewisse Ventilwirkung dieser sexuellen Aufladung zurück zu führen ist. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass Elfen Lied ohne diese Spannung (und damit mein ich nicht den übertriebenen Fan-Service) nur ansatzweiße so funktioniert hätte, halte ich es für einen Skandal, dass wir mit der Kinderpornographie-Keule nun auch über den wichtigen Einsatz solcher stilistischen Mittel drüberziehen und langfristig eine Schere im Kopf installieren.
Viel schlimmer als die Strafe für Simon Lundström ist für mich daher die Stigmatisierung einer Sache, die ich für diskutierenswert halte – ganz unabhängig davon, dass wir weiter einen Standpunkt einer ganzen Comickultur ausschließen, ohne auch nur ansatzweise darüber reflektiert zu haben. Das Gericht in Schweden sieht das anders. Demnach sei die Kinderpornographie in bildhafter Form bereits ebenso Kinderverachtend und daher strafbar. Ich finde, allein die Tatsache, echten Mißbrauch an Kindern auf dieselbe Ebene zu drücken wie den narrativen Umgang damit, ist entwürdigend für alle Mißbrauchsopfer.
(Zu Deutschlands Verteidigung füge ich hinzu, dass dort derzeit Pornographie erst als solche gilt, wenn die „Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse an sexuellen Dingen abzielt“, was man Elfen Lied nun hoffentlich noch nicht vorwerfen kann. Nichtsdesto trotz sind solche Sachen natürlich Auslegungssache, gerade wenn es um emotional aufgeladene Themen wie die Kinderpornographie geht).
In jedem Action- oder Horrorfilm heute kommen Gewaltakte an Erwachsenen vor. Deswegen kann ich aber genauso wenig reale, strafbare Gewalt mit virtuellen Special-Effects gleich setzen. Zugegeben: Die Zeiten gab’s auch mal, wo Regisseure für Splattereinlagen eingesperrt wurden, weil den Richtern die Differenzierung zwischen realer und fiktiver Gewalt schlicht gefehlt hat und sie sich vom äußeren Schein der Szene haben blenden lassen. Und wenn beispielsweise Kindermißbrauch oder die Sexualität von Kindern ein integraler Bestandteil einer Geschichte ist, so wie das bei vielen Animes und Mangas der Fall ist, dann gehört dieses stilistische Mittel auch erlaubt, diskutiert, reflektiert und nicht verdrängt.
Ich bin jedenfalls gespannt, wie die Sache um Simon Lundström weitergeht, und ob ich irgendwann meine DVD-Boxen von Urotsukidoji, Elfen Lied, GANTZ, When They Cry oder meine Mangas von „Eden“ dem Müllschlucker übergeben muss, wie das derzeit einige Verrückte in Schweden machen.
Mehr über den Fall auf karlandersson.se…
Sehr guter Artikel und ich stimme dir in allen Punkten zu!
Gerade diese angesprochene erforderliche Differenzierung bei solchen diskussionswürdigen Themen wird ja leider recht schnell überworfen von kollektiver „Meinungsbildung“ durch die Medien wenn so ein Thema aus aktuellem Anlass schnell wieder aufgekocht und breitgetreten bzw. in falschem Kontext und unreflektiert dargestellt wird.
Endlich ist es so weit, endlich! Hat ja lange genug gedauert, dass der usächliche Zusammenhang zw. Kinderpornographie in Literatur und Gewaltausübung gegenüber Kindern in der „echten“ Welt erkannt wird. Dementsprechend sollten wir weiter denken und endlich diese „Schundliteratur“, die Inzest propagiert, enbenfalls zensieren, oder – noch besser – gleich verbieten lassen.
Ja, genau, ich rede von der BIBEL. So steht zB im Alten Testament:
http://de.wikipedia.org/wiki/Inzest#Inzest_und_Religion
Und das, obwohl das kanonische Recht Inzest ausdrücklich verbietet!
Wird Zeit, wieder Bücher zu verbrennen. Ich hol schonmal die Streichhölzer.
(Diese Aussage wurde bewußt polemisierend geschrieben. Das soll kein Angriff gegen Bibel oder Kirche sein, sondern im Gegenteil zeigen, wie unfair und entwürdigend es ist, mit geistig kranken Straftätern kategorisch in einen Topf geschmissen zu werden, obwohl man nichts Unrechtes getan hat – zumindest nicht bewußt. Denkt mal darüber nach.)