Früher hat man sich unter Leseraten ja so leicht pickelige, Hornbrille-tragenden Mauerblümchen vorgestellt, die sich im Pausenhof entweder in irgendwelche Ecken verzogen, wo sie nie das gleisende Tageslicht erwischen würde, oder die als schwachbrüstige Streberbesserwisser grundlos verprügelt wurden.
Die Zeiten haben sich geändert.
Die Frankfurter Buchmesse war diesmal wieder voll von Freaks, deren einzige Lebensaufgabe es manchmal zu seien scheint, ihren fiktiven Lieblingscharakteren nachzueifern. In den buntesten Kostümen geisterten sie am Samstag durch die Frankfurter Hallen, dass man den geplanten Weltrekordversuch der Kölner gamescom im besten Falle noch müde belächeln kann. Im Gegensatz zum zugebenermaßen von mir verhassten Karneval und Fasching, der nach meinem Geschmack ein rein ritualisertes Ausleben unterdrückter Identitätsprobleme ohne viel Tiefgang ist, mag ich solche ‚Cosplay-Events‘.
Vielleicht liegt es an der herrlich subversiven Aussage, gerade in so einem tristen Betonkomplex wie den Messehallen und unter zahlreichen Pseudo-Intellektuellen eine farbenfrohe Gegenveranstaltung zu fabrizieren, vielleicht liegt es an dem Flashmob-artigen Charakter, der solchen Happenings anhängt, vielleicht an der Tatsache, wie tiefgreifend scheinbar Charaktere und ihre Geschichten berühren können, wenn man in Europa nur ansatzweise auf das (dem Cosplay zugrunde liegende) japanische Niveau käme, vielleicht auch an dem hohen Anteil an freizügigen Miniröcken, Hot Pants und High Heels oder der Tatsache, dass es einfach noch viel mehr (weibliche!) Fans von dem sicherlich nicht unumstrittenen Elfen Lied gibt, als man gemeinhin glauben möchte (so dass ich angesichts des möglichen Interessensschnittfeldes schon zwischen ‚Hey, vielleicht sollte ich die mal ansprechen‘ (Nyu) bis hin zu ‚Blos nicht ansprechen!!‘ (Lucy) schwankte).
Vielleicht sind es aber auch nur die ungläubigen Gesichter der Krawattenträger, die gemeinsam mit mir den (wie immer notgedrungen recht spießigen) Bildungskongress im Kongresszentrum der Messe gerade verliesen, nur um dann festzustellen, dass es die Cosplayer-Massen bereits in die eigentlich für Messebesucher gar nicht vorgesehenen Hallen drückte. Aber was rede ich lange – ich hab meinen Gang vom Kongress nach draußen einfach mal grob festgehalten: