Aurora Massaker – Selbstest

Vor einiger Zeit hatte ich einen provokaten Beitrag zum Batman-Amoklauf in Aurora geschrieben, bei dem ein Attentäter in einem Mulitplexkino mehrere Leute während der Vorstellung des Films „The Dark Knight“ ermordete. Mittlerweile ist es ja soweit, das selbst ein Teil der Administration die aufgetischte Geschichte nicht mehr glaubt:

Ich habe mich bei solchen Verschwörungstheorien immer für die medienwissenschaftliche Seite interessiert – vor allen Dingen für die Theorie, dass bei Menschen eine einmal fest gepflanzte Geschichte nur mit ungleich mehr Aufwand überhaupt wieder umgeändert werden kann. In den meisten Fällen setzt zwar zuvor ohnehin die Ausselektion ein, wirklich gespeichert werden Änderungen an der „ursprünglichen“ Geschichte aber häufig selbst dann nicht, wenn sie mitgeteilt werden. Es benötigt einfach eine unfassbare Energie, um bei Rezipienten hier ein Umdenken einzuleiten. Und bei den Rezipienten ist es meistens mit einer anstrengenden oder schmerzvollen Erfahrung verbunden, die von „Sich-Eingestehen“ bis hin zu „Paranoia“ reichen kann. Beispiele gibt es unzählige – gerade auch in der deutschen Geschichte. Kann man es auch beim Massaker in Aurora anwenden? Hier ein paar Beispiele zum Selbsttest.

Stimmt die Aussage oder stimmt sie nicht?

 

Aussage: Der Attentäter James Holmes hielt sich selbst für den Joker aus Batman und wollte daher so sein wie er. Das sagte er der Polizei bei seiner Festnahme (Quelle).

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Falsch. Diese Meldung wurde später als Falschaussage richtig gestellt. Zwar hatte Holmes rot gefärbte Haare. Er gab sich aber gegenüber der Polizei niemals als Joker aus. Warum Police Commissioner Ray Kelly diese Aussagen dann überhaupt machte, bleibt unbeantwortet.

 

Aussage: Die Mutter hat ihren Sohn als Massenmörder identifiziert (Quelle).

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Falsch. Die Meldung wurde von ABC verbreitet in der Annahme, die Mutter hätte bereits ihren Sohn als den Täter identifiziert. Tatsächlich tat sie aber nichts dergleichen (hier ihre Stellungnahme).

 

Aussage: Der Attentäter hatte bereits am 12 Juli seinen Masterplan in Form eines vollgeschriebenen Notizbuches als Vorwarnung an seine Universität geschickt, wo es aber Tage unentdeckt blieb. Dies gilt heute bereits als (Teil-)Geständnis, dass Holmes der Täter sein muss (Quelle).

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Falsch. Tatsächlich liegt dem Gericht nämlich kein verwertbares (Teil-)Geständnis mittels des angeblichen Notizbuches vor. Diese Geschichte änderte sich im Verlauf sogar gleich einige Male. Falsch scheint sie aber in jedem Fall zu sein. Die Staatsanwaltschaft hat vor einiger Zeit bestätigt, dass das Beweisstück tatsächlich noch nicht mal als Beweisstück vorliegt bzw. auch garnicht untersucht würde („Reports that the police “are currently examining the contents of the box” are “untrue, as the contents were secured and not examined,” prosecutors said.“). Die Universität hat mitgeteilt, dass tatsächlich mal ein Paket ankam, allerdings viel später – nämlich am Montag. Der Inhalt wurde nicht genannt.

 

Aussage: James Holmes wurde von der Polizei bei seinem Auto verhaftet, als er aus dem Notausgang von Kino 9 kam (Quelle).

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Ziemlich sicher falsch. Tatsächlich berichtet der Polizeifunk nämlich darüber, dass Holmes zum Zeitpunkt der Festnahme bereits im Fluchtauto war – unter Drogen und scheinbar kaum ansprechbar. Alle Polizisten identifizieren einen Mann mit Gewehren in einem Fahrzeug. Aber niemand sieht ihn aus dem Notausgang flüchten (der Polizeifunk lässt sich z.B. hier ganz unten anhören).

 

Aussage: Der Attentäter trug eine Gasmaske (Quelle).

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Das ist ziemlich sicher richtig. Die Gasmaske wurde am Tatort gefunden und sie sorgte auch dafür, dass der Attentäter natürlich nicht so ohne weiteres identifiziert werden konnte. Erst nachdem James Holmes also ohne Gasmaske im Auto gefunden wird, ist ein potentieller Verdächtiger überhaupt erst identifiziert.

 

Aussage: James Holmes hat die Gasmaske am Tatort getragen (Quelle).

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Schwierig. Denn jetzt wird es merkwürdig. James Holmes hatte sein Auto direkt neben dem Notausgang geparkt, aus dem er später auch mit den Waffen und seiner Gasmaske kam. Merkwürdigerweise findet die Polizei die Gasmaske aber nicht wie alle anderen Sachen beim Auto, sondern ganz am anderen Ende des Kinos (hier klicken für Karte).
Lief James Holmes erst bis ans Ende des Blocks, um dort die Gasmaske abzulegen und dann zurück zum Wagen, während die Polizei ja bereits nach ihm suchte? Eine andere Vermutung erscheint logischer: Ein völlig anderer Attentäter verlässt das Kino, wirft die Waffen in das ideal direkt vor dem Notausgang geparkte Auto von James Holmes, lässt aber die Gasmaske noch an. Marschiert auf die Hauptstraße, wirft dann erst die Gasmaske ab und flüchtet von dort – vielleicht mittels einen vorbeifahrenden Fluchtwagen. Warum die Gasmaske dort liegt? Weil da genau die letzte Position ist, auf der man mit den Sicherheitskameras noch den Parkplatz überwachen kann. Und wer nun gleich fragt: Die Aufnahmen dieser Kameras, die dieses Rätsel lösen könnten, sind natürlich leider bislang nicht verfügbar.
Unabhängig davon stellt sich übrigens hier noch die Frage: Woher wusste Holmes, dass er genau aus diesem Notausgang kommen würde und stellte seinen Wagen genau dort ab? Er kaufte sich das Ticket für den Film angeblich direkt vor der Vorstellung und er lief in mehreren Kinos parallel. Es war nicht wirklich vorherzusagen, für welchen Kinosaal man die Karten erhielt. Und wenn er es wusste (oder später nochmal umparkte), dann musste er zumindest vorher schon genau geprüft haben, wohin die unterschiedlichen Notausgänge der unterschiedlichen Kinos denn genau führten. Möglich ist das aber natürlich.

 

Aussage: James Holmes war ein Einzeltäter (Quelle).

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Schwierig. Jetzt sind wir zugegeben komplett in der Spekulation angekommen. Manchmal gibt es nämlich auch den umgekehrten Fall: Bereits gemeldete Geschichten werden plötzlich nicht mehr weiter berichtet und verschwinden somit aus dem kollektiven Gedächtnis. Tatsächlich berichtete die Polizei nämlich zu Beginn des Amoklaufs (übrigens ganz ähnlich wie z.B. bei Winnenden und Erfurt auch), von zwei Attentätern (z.B. hier). Dass diese Meldung tatsächlich stimmt, belegen auch die hier schon verlinkten Polizeifunk-Mitschnitte (s.o.), in der ebenfalls von mehreren Schützen die Rede ist. Die bereits oben erwähnte Sache der weit entfernt gefundenen Gasmaske passt gut in dieses Bild.

 

Es gibt hier noch sehr viele vergleichbare Fälle von widersprüchlich oder schlicht falsch gepflanzten Medienaussagen. Nach dem Prinzip der Nachrichtenwelle wird nun mal alles gerne genommen und umgedichtet, was ins Medienbild passt. Aber ich denke, diese Beispiele machen nochmal deutlich, dass man grundsätzlich keine Geschichte, erst recht nicht, wenn sie massenmedial verbreitet wurde, uneingeschränkt in seinen Wissensfundus als gesetzt aufnehmen kann, so lange man nicht bereit ist, sie fortlaufend immer wieder neu zu hinterfragen. Der Konstruktivist grüßt. Zugegeben: Wer garnicht nach der Wahrheit sucht (und das sind heute so einige), der muss sich diese Gedanken vielleicht auch garnicht machen. Blaue Pille, rote Pille – ihr wisst schon!

Wie passt das nun alles zusammen? Nun, eine Theorie eines Bloggers namens  Scott Creighton, die vor kurzem kolportiert wurde, und die mir sehr gut gefällt, lautet:

James Holmes geht am Dienstag Abend aus. Jemand setzt ihn dabei unter heftige Drogen (im Gerichtssaal wirkt er jedenfalls noch ziemlich abwesend). Am Mittwoch sorgt jemand dafür, dass sein Appartement mit Fallen ausgestattet wird – als Beweis für seinen Wahnsinn.

Des Nachts parken sie den wegtretenen James in seinem Auto direkt neben dem Notausgang des später stattfindenden Amoklaufs. Der wahre Attentäter hat sich die Karten bereits online gekauft und weiß vermutlich bereits, in welchem Kinosaal er tätig wird.

Er geht rein, kriegt den ominösen Telefonanruf, öffnet die Notausgangstüre, holt sich die Ausrüstung aus dem geparkten Auto, geht durch die nicht ganz geschlossene Notausgangstüre wieder rein und ballert auf die Opfer.

Er geht wieder raus und wirft alles von sich, die Waffen ins Auto zum belämmerten James. Die Gasmaske lässt der Täter an, um von den Sicherheitskameras nicht als „Nicht-James“ erkannt zu werden.

Nach der letzten Sicherheitskamera wirft er die Maske ab und springt in ein vorbeifahrendes oder wartendes Fluchtauto auf der Straße.

 

Was den Tatvorgang betrifft, muss ich sagen, dass diese Geschichte bei mir aktuell deutlich stabiler funktioniert als die bisherigen Aussagen und Theorien. Und es wirft erneut ein erschreckendes Bild auf unsere Massenmedien und womöglich auch auf Gevatter Staat. Prost!Richtig oder Falsch?