Ich hatte heute bei Facebook eine kurze Konversation über die Asylthematik von Edward Snowden. Während ich natürlich auch glaube, dass Deutschland Snowden trotz Asyl an die USA ausweisen würde, glaube ich trotzdem, dass die Sache nicht ganz so einfach ist, wie es das transatlantische Bündnis suggeriert. Das liegt allein schon daran, dass die deutsche Bevölkerung kein Verständnis für diese Aktion haben dürfte – zu tief sitzt die Erinnerung an den Überwachungsstaat der Vergangenheit, an die man bei der Abschiebung eines Whistleblowers unweigerlich erinnert würde. Die Stasi und die Gestapo wären zurück. Für die deutsche Regierung wäre eine Krise vorprogrammiert.
Am „besten“ müsste die USA geheimdienstlich tätig werden und Snowden auf deutschem Grund kidnappen – wir wissen mittlerweile ja, dass sie das machen, auch ohne Mitwissen der Regierung. Das wiederum würde aber die Souveränität in Frage stellen und möglicherweise eine (weitere) transatlantische Krise hevorbringen (vgl. z.B. den Honecker-Fall von 1991). Die deutsche Regierung selbst kann also eigentlich kein Interesse an einem Asyl für Snowden haben. Aber warum hat Snowden doch ein Interesse an Deutschland?
Ich nutze die Frage mal, um ein paar Kommentare von mir von Facebook hier zu posten und habe dann vor allen Dingen die Chance, endlich mal ein Video von Jacob Appelbaum in Berlin zu verlinken, was ich schon längere Zeit machen wollte.
Die Frage lautet zumindest rechtswissenschaftlich wohl eher: Geht völkerrechtlich der Asylantrag vor oder das Auslieferungsabkommen? USA besteht auf die Rechtmäßigkeit des Auslieferungsabkommen – und das Asylrecht sieht so einen Fall sogar bereits vor:
„§4: Die Entscheidung über den Asylantrag ist in allen Angelegenheiten verbindlich, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtserheblich ist. Dies gilt nicht für das Auslieferungsverfahren sowie das Verfahren nach § 58a des Aufenthaltsgesetzes.“
Ein Gutachten von Amnesty International hingegen sagt, dass das Asylrecht allein schon europarechtlich (und damit garnicht mal zwingend nur deutsch) bindend sind und ein Auslieferungsabkommen in dem verfolgenden Staat ausschließen. Die hatten da mal aufgefordert, dass gesetzlich zu verankern. Ist bislang aber nie geschehen und deswegen kann Deutschland Snowden eigentlich kein Asyl anbieten, so lange Washingten auf Auslieferung pocht…
Warum möchte Snowden aber trotzdem nach Deutschland?
Russland hat Snowden ja auch nur Asyl bis Mitte nächsten Jahres gewährt. Er muss sich also nach neuen Möglichkeiten umsehen.
Deutschland steht für ihn nicht völlig ausser Frage. Berlin ist bereits jetzt ein Umschlagplatz für die Snowden-Dokumente. Als der Partner von Glenn Greenwald vom Guardian in Heathrow gefilzt und festgehalten wurde, kam er gerade aus Berlin und hatte verschlüsselte Dokumente von britischen Wikileaks-Aktivisten (also wohl von Laura) übernommen. Warum er über Heathrow geflogen ist, hat kein Mensch verstanden – in Berlin kommen die Leute jedenfalls problemlos durch die Flugkontrollen und bei einem Direrktflug nach Brasilien wäre das nicht passiert.
Kurz: Die deutschen Behörden machen den Ausreisenden scheinbar am wenigsten Streß und lassen sich wohl von den USA viel weniger unter Druck setzen als andere Länder. Es ist also gut möglich, dass Deutschland sich am Ende viel weniger dem Druck der USA beugt als unsere Nachbarn. Wenn mich nicht alles täuscht, dann hatte Deutschland damals sogar Morales nicht mal die Überflugsrechte entzogen – das waren dann wohl erst Frankreich und Spanien, die den Amerikanern nach der Nase tanzten. Ich finde das zwar alles verwunderlich, aber die Entscheidung der Aktivisten, alles lieber hier zu machen, spricht tatsächlich ein wenig dafür.
Weiteres Beispiel: Auch Jacob Appelbaum, der Erfinder von Tor, ist aus den USA nach Berlin „geflohen“ und hat dort eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Ihm zufolge ist Deutschland (überraschenderweise) momentan angeblich immer noch der beste Fleck in der EU, wenn es um das Thema Staatsüberwachung geht.
Nachdem Snowden all diese Leute kennt und ihnen auch seine Flucht aus Hong Kong zu verdanken hat, vermute ich mal, dass Deutschland nicht vollständig ausser Frage ist. Wenn ein Wunder geschieht und Snowden wirklich nach Berlin kommt, vermute ich aber eher, dass man die Erfahrungen an den Airports nutzt und dies eine Durchreisestation für Snowden in ein sicheres Land mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung wird.
Der angesprochene Jacob Appelbaum hat in Berlin vor einiger Zeit eine ziemlich flammende Ansprache gehalten und erklärt, warum er gerade in Berlin ist und dort eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat – übrigens genauso wie Laura, die Snowden in Hong Kong und wohl auch in Russland begleitet und die Videoaufnahmen gemacht hatte. Beginnt bei Minute 8:
Wer mehr wissen will: Appelbaum hat auch bereits im europäischem Parlament gesprochen. Und zwar hier (ab Stunde 2:23:00!).
Wenn er weiß, was gut für ihn ist, bleibt er mal besser da, wo er ist, mMn.
Im Gegensatz zu uns kann man den Russen nämlich nicht unterstellen, der gehorsame Prügelknabe der Ketchups zu sein.
And now for something completely different:
http://www.youtube.com/watch?v=ByXF0mCY5TM
Das fand ich auch sehr interessant:
http://youtu.be/-VUyuFH9CbI?t=2h51m20s
Also, wenn man glaubt, es ginge immer nur um „Terrorismus“, dann sollte man sich das mal reinziehen. (@2:51:20)
Ändert aber nichts daran, dass er nur bis Sommer 2014 eine Aufenthaltsgenehmigung hat und irgendeine Lösung bis dahin braucht. Da würde ich mich auch an jeden Strohhalm klammern.
Was ist mit Ecuador? Ist es dort zu gefährlich wegen dem SiiEiÄi?
CIA ist denke ich in Deutschland nicht minder gefährlich. Vielleicht ist es für ihn eher das last resort, zumal er nicht genau weiß, was es bedeutet, in der Botschaft in Russland Asyl zu beantragen. Wenn er Pech hat, kommt er aus der Botschaft erst mal nicht mehr raus – und darauf hat er sicherlich keinen Bock. Sinnvoller wäre es da schon, wenn er ne Fahrkarte auf den Grund des Landes hat, wo er auch Asyl beantragen will.
http://youtu.be/SdLKje1IydQ?t=18m40s
Aktuell ist – meiner Meinung nach – unsere Regierung (bis auf wenige Ausnahmen) nur auf den Bänken und randaliert, weil eben die Kanzlerin – einer aus Ihren Reihen – ein Politiker – abgehört wurde.
Das Thema der „paar“ Bürger und Unternehmen war ja eigentlich schon als erledigt Richtung Archiv unterwegs.
Auch das „no spy“ Abkommen dreht sich meines Wissens aktuell um abhören von Politik und Wirtschaftsspionage. Bevor man in die Asyl Debatte einsteigt sollte sichergestellt sein, dass es nicht nur um die Immunität von Politikern geht, sondern um die allgemeine Frage ob Daten welcher Art auch immer generell – egal ob Sie noch auf deutschem Boden sind, oder schon in einem Router außerhalb stecken – abgefangen und ausgewertet werden dürfen.
Damit „nur“ unsere Politiker nicht mehr überwacht werden, dafür braucht Snowden kein Asyl.