Die House of Tales Entertainment GmbH, das Entwicklerteam hinter solchen Adventures wie The Moment of Silence, Overclocked oder zuletzt 15 Days hat einen neuen Geschäftsführer. Wie das Impressum der Webseite verrät, zeichnet sich dort nun ein gewisser Mathias Reichert verantwortlich. Gleichzeitig zieht die Firma von Bremen in die Podbielskistraße 166 nach Hannover um. Eben jene Hausnummer wiederum beherbergt bereits die Cranberry Production GmbH, welche als Entwicklerfirma u.a. Black Mirror 2 für den Hamburger Publisher dtp entwickelte.
dtp selbst wiederum hatte 2007 den in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Entwickler 4Head geschluckt und in Cranberry umfirmiert. 2008 wurde schließlich auch die Bremer House of Tales Entertainment GmbH an dtp angegildert, das Unternehmen blieb aber bislang in den Händen der beiden Gründer Martin Ganteföhr und Tobias Schachte. Bei dem nun neuen Geschäftsführer dürfte es sich um den Development Director von dtp handeln. Im Kundenforum des Entwicklers haben Nutzer mittlerweile bestätigt, dass an der ursprünglichen Bremer Adresse kein House of Tales mehr firmiert.
Weder von dtp noch von den bisherigen HoT-Geschäftsführern scheint es eine Stellungnahme zu dem Personal- und Standortwechsel zu geben. Ganteföhr selbst hatte sich allerdings bereits in unserem gamescom-Podcast von August 2009 nur noch als Creative Director der Gesellschaft tituliert. Auf einem Business-Portal wird der offizielle Positionswechsel auf Dezember 2009 datiert. Mindestens ein Ex-HoT-Mitarbeiter hat im Kundenforum bestätigt, in Bremen zu bleiben und damit seit Februar nicht mehr unter der neuen House of Tales Anschrift zu arbeiten. Ob und wie viele der anderen HoT-Mitarbeiter mit nach Hannover gezogen sind oder ziehen werden, ist uns bei Adventure-Treff.de nicht bekannt.
Update: Tobias Schachte, einer der HoT-Gründer, hat dem Adventure-Treff offiziell mitgeteilt, dass er das Unternehmen Ende Januar verlassen hat.
Ich kann dazu eigentlich nur das kommentieren, was ich bereits beim Treff in die Kommentare geschrieben habe:
Alles, was ich bisher sehe, zeigt eher, dass dtp das voll zu verantworten hat – vor allen Dingen den letzten Flop, den HoT unter dem dtp-Dach in Akkord-Zeit produzierne musste (15 Days). Als Muttergesellschaft muss sie schließlich eine ordentliche Strategieplanung machen. Natürlich ist das Geschäft knallhart, aber den derzeitigen Druck auf die Entwickler bzw. Töchter durchzugeben und Mitarbeiter scheinbar tagelang Überstunden schieben zu lassen, ist keine nachhaltige Lösung sondern vergrault Mitarbeiter, potentielle Neukunden (das spricht sich ja auch rum) und am Ende auch die Spieler, weil die ja auch nicht ganz dumm sind und durchaus sehen, was da passiert. Für mich als Journalist spricht auch das Chaos bei der Abfertigung auf der gamescom für sich.
Sicher, ich verstehe die Schadensbegrenzung Seitens dtp auch irgendwo: Sie haben versucht, durch immer kürzere Entwicklungszeiten und scheinbar auch stark gekürzte Budgets im Marketing (anders lässt sich die deutlich geringe PR-Penetration kaum erklären) die Kosten soweit zu drücken, dass sie trotzdem noch möglichst alle Spiele releasen können. Vielleicht gibt es da ja auch Druck seitens der Games-Fonds, für die sie entwickeln müssen. Sie riskieren also lieber ihren Ruf als gleich eine ganze Reihe von Spielen zu canceln: Bei den meisten Adventures in letzter Zeit, sei es 15 Days oder das still und heimlich veröffentlichte Ghost Pirates, hat man gemerkt, dass die Liebe zum Produkt zurückgefahren und der Zeitdruck auf die Entwickler erhöht wurde, um das Ruder noch rumzureißen. Zu Venetica gab es auch kaum mehr Presserummel, obwohl es ursprünglich ein ziemlich hohes Budget gehabt haben muss. Deck13 hat kurzerhand die Releaseparty selbst geschmissen. Den Namen dtp wollte man an dem Abend auch eher nicht hören, wie mein Feldtest zeigt. Ausnahme scheint bei den Adventures eigentlich nur noch Gray Matter zu sein, für das man sich weiterhin viel Zeit lässt. Ob diese Schadensbegrenzungs-Strategie was bringt, möchte ich nicht beurteilen. Auch langfristig werden die Titel wohl nicht recoupen und der Ruf ist dahin – aber immerhin hat man dadurch etwas Cashflow, um den Betrieb auf Sparflamme aufrecht zu erhalten. Ich glaube, genau das versucht dtp und hofft auf einen großen Wurf – womöglich dann ja bei Gray Matter.
Was ich schon beurteilen möchte ist, dass dtp dafür den schwarzen Peter hingeschoben kriegt, denn diese Schadensbegrenzungs-Taktik ist nicht nur Folge der Wirtschaftskrise sondern auch Konsequenz eines eigenen Mißmanagements, selbst wenn es nur die fehlende Voraussicht und Absicherung war. Ich sehe jedenfalls nicht, wo die Entwickler dafür verantwortlich waren. Die sind nur von den Aufträgen abhängig und haben beim Publisher in der Regel nicht viel zu melden. Umso mehr ist es schade um dieses kompetente Entwicklerhaus! R.I.P H.O.T.
Wirklich alles sehr, sehr schade! Ich habe großes Vertrauen in Martins Potenzial und denke, wir haben sein bestes Spiel noch lange nicht gesehen. Bin mal sehr gespannt, wie es weitergeht und drücke die Daumen. Bei dem inhaltlichen Status als Entwicklungsland, den das Adventure-Genre zumindest meiner Meinung nach immer noch hat, ist es gerade jemand wie Martin, den wir gebrauchen können.