Nach Netflix‘ Fyre hab ich nun auch die konkurrierende Dokumentation Fyre Fraud gesehen und finde letztlich die letztere sogar besser. Spannend ist dabei, dass es mittlerweile nicht mehr nur um den Betrug rund um Fyre Gründer Billy McFarland geht sondern auch um Befangenheitsvorwürfe innerhalb der beiden Dokumentarfilmer-Teams selbst. Fyre Fraud suggeriert, dass die Netflix-Doku im Prinzip nur ein Versuch war, die Schuldfrage auf einer Schulter abzuwälzen, nämlich der von Billy McFarland.
Grund: Die Doku wurde von Jerry Media mitproduziert – exakt der Firma, die Fyre damals so völlig aus dem Kontext heraus an Millenials promotet hatte. Die Vermutung: Jerry will um jeden Preis verhindern, dass ihnen eine Mitschuld am Fiasko ans Bein gebunden wird. Millionschwere Klagen laufen bereits. Entsprechend fehlen tatsächlich nahezu alle Zusammenhänge mit Jerry in der Netflix-Doku, während die Hulu-Dokumentation aber nen Whistleblower von Jerry Media mit ins Interview-Set kriegen konnte. Auch klammert Netflix die Tatsache aus, dass einige Influencer tatsächlich eine Villa erhalten hätten – und völlig empathielos darin wohnten, während andere kein Dach über den Kopf hatten. Will man es sich mit seinen eigenen Kunden nicht verschärzen? Jerry Media betreibt mit FuckJerry eine Influencer-Agentur, die scheinbar Influencer damals für das Fyre Festival mit eingeladen hatte. Stimmt dies wirklich (und irgendwie ist es tatsächlich schon auffällig) wäre das alles eine selten clevere Maßnahme von Jerry, sich als Opfer darzustellen, obwohl sie intern genau wussten, dass sie die Grenze der Legalität mit ihrem Partner bereits längst überschritten hatten. Spannend!
Die Netflix-Macher wiederum verweisen darauf, dass das Team um Fyre Fraud Billy McFarland für ein Interview eine große Summe bezahlt und damit die Integrität für den Rest des Films unterminiert hätten. So ein richtiges Argument gegen die eigene Befangenheit ist dies natürlich nicht. Auch hat das Team rund um Netflix‘ Fyre jetzt auch begonnen, Gelder für die prominent in der Doku platzierte Restaurantbesitzerin in den Bahamas zu sammeln – für manche Beobachter ein weiteres reines Ablenkungsmanöver. Dagegen hat Jerry jetzt argumentiert, dass der in Fyre Fraud präsentierte Whistleblower für die eigene Firma nur zwei Wochen lang tätig war, also beileibe kein Insider. (Ich persönlich würde ja sagen: Das reicht auch, um festzustellen, dass da ganz gehörig was aus dem Ruder lief mit dem eigenen Kunden…)
Wer sich also stärker für das Fiasko interessiert, was zudem ein Paradebeispiel für unsere heutige Welt des Influencer-Marketings ist, der sollte auf alle Fälle auch der Hulu-Doku hier eine Chance geben, um ein vollständigeres Bild zu erhalten. Die Geschichte rund um Fyre ist vermutlich noch lange nicht auserzählt und wer weiß, ob uns hier noch ein viel größeres Konstrukt erwartet, als bislang vermutet wurde…