Könnt ihr Euch vorstellen, 5 Monate auf ein und derselbe Toilette zu sitzen, mit der Vorgabe, sie gefälligst voll zu kodieren? Am Anfang geht das vielleicht noch ganz gut, aber am Ende kommt nur noch so ein dünnes Rinnsahl. Und man ist froh, wenn sich die Schüssel am Ende wenigstens um einen halben Millimeter gefüllt hat? Herzlich Willkommen in Bastis persönlicher Masterarbeits-Hölle! So geht’s mir jeden Tag. Naja, irgendwann ist Schluß – und zwar diese Woche. Weil dann zieh ich die Spülung – und guck was am anderen Ende davon noch so rauskommt. Verdammt, ihr könnt mich doch alle mal! (panisches Lachen einblenden) Einige haben gefragt, was ich denn letzte Woche in Kapitel 7 geschrieben hätte. Na, ne kleine Kotzprobe gefällig? Hier ein bischen was des kontroverseren Reflexiv-Dünnpfiffs, den ich produziert habe. So aus dem Kontext gerissen find ich die Zeilen garnicht mal mehr so schlecht, auch wenn die meisten Wissenschaftler die Hände über den Kopf zusammenschlagen werden… 🙂
Natürlich ist ein Themenpark wie Disneyland „so hart kontrolliert wie der Kremel“ , natürlich ist es kein freies demokratisches System, natürlich ist es totalitär, suggestiv, simulativ und hochgradig manipulativ – und dennoch bleibt es für viele Besucher ‚the happiest place on earth‘ , hat enorme emotionale Auswirkungen auf das eigene Wohlbefinden und die eigenen Erfahrungswerte. Subjektiv betrachtet, interessiert die objektive Wertschätzung das Individuum nicht: Es lebt und genießt im Hier und Jetzt, alles andere wäre konstruktivistische Spekulation.
Wenn der katholische Filmdienst bei ‚The Game‘ also davon spricht, der Filme legitimiere „distanzlos die Manipulation und Fremdbestimmung eines Menschen“, ja viel mehr noch, gebe es „als drastische Möglichkeit einer therapeutischen ‚Heilung’“ aus, dann ist dies nicht nur ein berechtigter „Vorwurf“, es ist schlicht die „erschütternde“ Kernaussage des ganzen Films.
Die moderne Popkultur hat in letzter Zeit viele Abhandlungen über Simulation und Täuschung hervorgebracht: „Matrix“, „eXistenZ“, „Dark City“ – um nur einige Filme der Moderne zu nennen. Doch alle davon behandeln unsere konstruktivistische Wirklichkeit mit einer negativen Konnotation. Überall ist die Täuschung und die Fremdbestimmung bereits „aufgeflogen“ oder im Vorgang der Entdeckung, das Vertrauen entzogen, der Mensch missbraucht – sei es nun durch Maschinen, Aliens oder dem eigenen, trügerischen Geist. Es wird grundsätzlich das Aufbegehren als ein Akt der Befreiung empfunden, das Loslösen von kontrollierenden Instanzen als grundsäzlich notwendige gesellschaftliche und moralische Pflicht.
Es geht also nicht darum, den Kontrollverlust an sich zu werten. Er ist nicht wertbar sondern ein fester Bestandteil unserer Lebensqualität.
Aber wenn wir aus der Entführung in fremde Welten etwas lernen können, wenn sie unseren Geist und unser Erlebnisspektrum erweitern, so wie bereits Musik, Kunst und Literatur unsere geistigen Fähigkeiten erweitert haben, dann führt um die Heraushebung der Interaktivität aus der Virtualität kein Weg mehr vorbei. Ich habe Erlebniswelten in diesem Buch deswegen gewählt, weil sie hier den ersten Schritt gehen. Weil sie, wenn man so will, die ersten sind, die eine interaktive Matrix, eine interaktive Scheinwelt jenseits des Computers schaffen.
Wenn Interaktivität also die Zukunft der Simulation und Manipulation ist, dann kann man die Augen vor dem Kontrollverlust-Thema nicht verschließen. Und gleichzeitig können die Entwickler die Augen vor der ihnen auferlegten Kontrollverantwortung (d.h., Planungsverantwortung) nicht verschließen. (…) Ich möchte neugierig gemacht werden auf das, was sich andere Menschen für mich ausgedacht haben. Ich möchte motiviert, entführt, aufgefordert und überrascht werden von der Cleverness der „Intrige“, die gegen mich gesponnen wurde. Wenn ich dabei für einen Tag meine eigene Realität vergesse, meine bis dato von völlig anderen Einflüssen geprägte Integrität aufgebe, um in eine neue Welt einzutauchen, der ich vertraue, dann empfinde ich überhaupt nichts kritisierenswertes daran.
Der Satz war auch nicht schlecht:
Ja, diese Phasen der „Pipeline ins Unterbewusstsein“, die „Atrophierung des (neurobiologisch jetzt nicht mehr existenten) freien Willens“, die Offenlegung unseres Geistes zur „fremdbestimmten Manipulation verschiedenster Art“ wie sie Patzlaff kritisch beurteilt, erscheinen geradezu als unabdingbare Notwendigkeit, um unser Leben „erträglicher“ zu machen, um darin Glück, Zufriedenheit und – paradoxerweise – gewisse Freiheiten zu finden, nicht natürlich, ohne dabei gewisse intrinsische, d.h., von uns selbst geschaffene Regeln zu beachten, die uns die Illusion des freien Geistes aufrecht erhalten, seien es nun Linearitätsmuster, Netzwerke oder eben einfach nur die perfekte Kulisse.‘