Was für eine boulevardesque Grotesque derzeit durch die Games-Branche geistert!
Erster Schritt: Einige der Adventure-Treff-Leser haben es bereits vor einiger Zeit im Adventure-Treff-Forum geschrieben: Die Neuauflage von Book of Unwritten Tales durch den österreichischen Publisher JoWooD hat mit ein paar Problemen zu kämpfen. Hierzu hat Entwickler KING Art am Montag zunächst eine Pressemitteilung auf seiner Webseite veröffentlicht. Laut KING Art handelt es sich bei der Variante von JoWooD um eine „unautorisierte, von KING Art nicht genehmigte, geänderte Version des Spieles“. Das Spiel sei nicht nur fehlerhaft, sondern könne auch nicht zu Ende gespielt werden:
„In dieser nicht autorisierten Version fehlen wichtige Daten, was regelmäßig während des Spiels zum Absturz des Programms führt und darüber hinaus bewirkt, dass eine Installation des Original-Patches von KING Art nicht erfolgen kann.“
KING Art empfiehlt weiters dringend, beim Kauf des Spieles auf die Originalversion des mittlerweile insolventen Publishers HMH zu achten. Auf diesem fehlt neben den Award-Grafiken auch das JoWooD-Label „The Adventure Company“ und kann somit leicht erkannt werden. Bei Online-Händlern erkennt man die mutmaßlich fehlerhafte Fassung an Hand des Vertriebes, der durch die EuroVideo erfolgt.
Darüber hinaus versucht KING Art laut dieser Meldung die Verbreitung der mutmaßlich unautorisierten Version rechtlich verbieten zu lassen. Der österreichische Publisher selbst hatte im August die Übernahme einiger Adventures (so auch „Die Vieh Chroniken“ und „Haunted“) aus der HMH-Insolvenzmasse angekündigt.
Zweiter Schritt: JoWooD hatte dann am Mittwoch auf die Anschuldigungen der Firma KING Art Games in einer eigenen Meldung reagiert. In dieser weist JoWooD sämtliche Vorwürfe von KING Art zurück:
„JoWooD Entertainment verfügt, wie King Art auch bekannt und vertraglich festgelegt, über alle Vertriebsrechte zu dem Titel „Book of Unwritten Tales“. Dies inkludiert neben Deutschland, Österreich und der Schweiz auch alle anderen Länder weltweit. Diese Sachlage ist dem Entwickler seit mehreren Monaten bekannt.“
Klemens Kreuzer, CFO bei JoWooD, hat dazu in der Pressemitteilung weiter festgehalten:
„Das an den Tag gelegte Verhalten des Entwicklungsstudios ist befremdlich und bedarf seitens JoWooDs keines weiteren Kommentars. Lediglich Folgendes sei an dieser Stelle angemerkt: Dass ein Distributor – und nichts anderes ist JoWooD hier – und seine Vertriebspartner plakativ über die „Presse“ vom Entwicklungsstudio erfahren müssen, dass dieser mit der von ihm zur Verfügung gestellten Arbeit allenfalls nicht zufrieden ist, mutet eher kafkaesk an.“
Desweiteren kündigt die Pressemitteilung an, dass die JoWooD AG ihrerseits prüft, rechtliche Schritte gegen KING Art einzuleiten. Den Vorwürfen des Entwicklers, das Spiel sei in der JoWooD-Neuauflage „fehlerhaft“ und könne „nicht durchgespielt werden“ entgegnet der Publisher:
„Bei der im Handel veröffentlichten Version handelt es sich um die Version 1.0, welche exakt auch die gleiche Version darstellt, die von King Art mit der Erstauslieferung in den Handel gestellt wurde. Unterschied zu dieser Version ist der bei JoWooDs Version nicht vorhandene Kopierschutz. Aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Firma King Art konnte bislang leider kein ungeschützter Patch zur Version 1.0.1 veröffentlicht werden.“
JoWooD habe deswegen nun ohne die Mithilfe von KING Art eine „ungeschützte“ Version des Patches 1.0.1 erstellt und auf seiner Unternehmensseite online gestellt.
Noch am selben Abend hat uns KING Art dann eine Anleitung geschickt, wie sich die Behauptungen von JoWooD nachprüfen lassen (hier zu lesen, sehr empfehlenswert!).
Seitdem brodelt die Gerüchteküche. JoWooD geht es immerhin derzeit alles andere als gut. Für November ist eine ausserordentliche Hauptversammlung anberaumt. Wenn man sich mal die enormen Beschlussfassungsvorschläge dafür ansieht (Kapitalherabsetzung 7 zu 2 und Aktiensplit!), kann ich momentan schon etwas verstehen, wenn JoWooD vor sich hin rudert… das wird ein sehr spannender Tag und die Book-of-unwritten-Tales-Sache schmeckt dem Publisher dazu bestimmt nicht so wirklich.
Der Vorstand hat z.B. geschrieben: „Aufgrund bestehender Verbindlichkeiten und des erwarteten hohen Halbjahresverlustes befindet sich die Gesellschaft derzeit in einer wirtschaftlich herausfordernden Situation. Die Entwicklung der Liquidität der Gesellschaft ist in hohem Ausmass von den zukünftig zu erzielenden Umsätzen im Spielevertrieb abhängig.“ Ich finde es spannend, dass man ganz konkret den Vertrieb als Ausweg sieht und nicht das Publishing. „BOUT“ wieder aus dem Vertriebsprogramm nehmen zu müssen, dürfte das letzte sein, was JoWooD gerade braucht.
Ich fiebere jetzt den nächsten Pressemitteilungen und der Hauptversammlung entgegen. Eigentlich würde mir JoWooD ja fast abgehen, wenn sie nicht mehr wären. Ich hab die Pressetermine dort immer sehr… genossen:
Ich mit PR-Frontfrau Tamara Berger von JoWooD |
Ich denke, Jans Ausdruck auf dem zweiten Bild trifft es ganz gut! |