Vulture TV hat John Oliver zum wichtigsten TV-Menschen 2014 gekührt.
Nicht ganz unfair, wie ich finde, denn sein Einfluss war ohne Zweifel beachtlich. Erstmalig bewies er, dass die seit Jahren gepredigte Regel, Zuschauer könnten Themen in Unterhaltungssendungen nicht länger als ein paar Minuten folgen, bevor sie abschalteten, widerlegt ist. Bis dato war es usus, nur die notwendigsten Informationen in Nachrichtenbeiträgen zu vermitteln und sie somit auf ein Minimum zu kürzen. Häufig wurden die eigentlichen komplexen Themen damit unsauber oder unzureichend erklärt – und alles nur, weil es die Marktforschung so vorschrieb.
Mit seiner satirischen TV-Sendung Last Week Tonight, die sich teilweise über 20 Minuten einem(!) politischen(!) Thema aufklärererisch widmet schlug er in einen lang wachsenden Bedarf. Ein Bedarf nach einem gut recherchierten, trotzdem unterhaltsamen, authentischen und vor allem glaubwürdigem Format, welches die Probleme unserer Zeit unverblümt anspricht. Allein seine Youtube-Videos machen wöchentlich mehrere Millionen-Klicks. Er liefert das, was viele „seriöse“ Nachrichtenmagazine nicht mehr liefern können oder wollen. Vulture beschreibt das in seiner Laudatio sehr gut:
His show’s mission statement is not to be an important source of news or analysis. In a better TV universe, the idea of […John] Oliver being named the most important person in television might be ridiculous — not because he wouldn’t still be great, or his show any less good, but because there’d be so many more serious options. In the world we do live in, Oliver is an oasis. Hopefully, he’ll also prove to be something else: an inspiration to those so-called “real” TV journalists to start doing better.
Mittlerweile ist John Oliver bereits in der zweiten Staffel seiner Sendung soweit, direkten politischen Einfluss zu nehmen. Seine Segmente rund um Netzneutralität, die Tabak-Industrie oder FIFA-Chef Sepp Blatter waren legendär. Kurze Zeit später wird die Netzneutralität in der US-Politik verabschiedet und Sepp Blatter muss gehen. Es ist erstaunlich, in wie viele Wespenneste Oliver sticht und dabei Aufmerksamkeit auf Probleme wirft, die in den herkömmlichen Medien untergehen – und dabei für einiges Unwohlsein in Politik und der Lobbybranche verursacht, welche die Medienberichterstattung über sich selbst scheinbar bislang einigermaßen im Griff hatten. Er hat da in kürzester Zeit ein ganz mächtiges Werkzeug erschaffen. Er ist der Hofnarr, der alles darf.
Ich hab mich vor kurzem gefragt, wann ihm wohl aufgefallen ist, dass es ein fantastisches TV-Konzept ist, Einfluss auf die Nachrichten der Welt zu nehmen. Sozusagen rekursiv die Medienberichterstattung durch Berichterstattung zu manipulieren und dabei letztlich Realereignisse zu provozieren, die unsere Welt ein bisschen besser machen. Wer die #Jeff-Kampagne im Kopf hat (Stichwort: Werbeplakate in Kassel!) oder den Kauf von Sendezeit auf dem trinidadischen Sender CCN TV6 um einem FIFA-Funktionär eine „persönliche“ Video-Nachricht zu senden (die danach noch in eine Art Video-Antwort-Battle ausarten sollte), der weiß, was ich meine.
Und dann hab ich den für mich entscheidenden Punkt gefunden, an dem sich Last Week Tonight von einer lustigen Nachrichtensendung in ein politisches Kampagnen-Format umgewandelt ist.
Denn heute hatte ich irgendwie nochmal Lust auf ein Weltraum-Gecko, das ein wenig Olde English 800 zu Ehren der gestorbenen Weltraum-Geckos auf den Boden schüttet und gemeinsam mit John Oliver „Say Something“ singt. Wer nicht weiß, wovon ich spreche, kann sich einfach mal die Geschichte im schnellen Zusammenschnitt hier anschauen – die Szene kommt ganz zum Schluss (es sind 3 Episoden hintereinander!)…
… Es handelt sich um John Olivers erste große Aktion, die er gemeinsam mit seinen Zuschauern in der ersten Staffel seiner Show starte. Und auch wenn es sich natürlich um Zufall handelt, vermute ich, dass Oliver genau hier, in der zweiten hier verlinkten Episode, die Entscheidung getroffen hat: „So mache ich’s! Ich starte Kampagnen, mobilisiere meine Zuschauer für das Gute, ändere die Welt und sorge so für das erste richtige Bildungsfernsehen seit langem!“ Genau so erkläre ich mir diese Zeilen:
This is just the tip of the iceberg, people. Now that the geckos are okay, there’s nothing that we can’t accomplish as a species! We can rush in a new area of peace on earth. We can dedicate our ressources to education and scientific research. (…) Thank you, viewers.
John, du hast das, was danach kommt, doch alles mit langer Hand geplant. Gib es zu! Es muss einfach stimmen! 😉