„Als Kalte Fusion bezeichnet man Verfahren, die eine als Energiequelle nutzbare, kontrollierte Kernfusion von Wasserstoff-Isotopen herbeiführen sollen, ohne dass ein Plasma mit hoher Temperatur und Dichte hergestellt werden muss wie bei einem Kernfusionsreaktor oder bei der Trägheitsfusion.“ (Wikipedia).
Diskutiert wird die Möglichkeit der kalten Fusion schon seit Jahren. Die einen halten sie für puren Blödsinn, die anderen für die mögliche Zukunft bei den Energieproblemen auf der Erde – und nach derzeitigem Kenntnissstand zudem noch vollständig umweltverträglich. Bekanntestes Beispiel dieses (mehr oder minder wissenschaftlichen) Diskurses, war die Bekanntgabe der Wissenschaftler Martin Fleischmann und Stanley Pons 1989, ein Verfahren zur kalten Fusion entwickelt zu haben. Kernpunkt dieser angeblichen „Technologie“ ist der Nachweis einer Überschuss-Wärmeproduktion, die nicht durch chemische Prozesse erklärt werden kann: Man führt Wärme, z.B. in Form von Strom, in einen Reaktor. Dort beginnt die Reaktion und erzeugt plötzlich mehr Wärme, als Strom hinzugefügt wurde. Ein Prinzip, das (Perpetuum-Mobile-gleich) den geltenden Physikgesetzen widerspricht und es damit nie so wirklich in die Ernsthaftigkeit oder in die Patentämter geschafft hat.
Schnell wurde von der US-Regierung eine Unterssuchungskommission eingesetzt – doch die Behauptungen von Fleischmann und Pons konnten im Versuchslabor nicht bestätigt werden. Kritiker bemängelten die Gelder-Verschwendung für eine utopische Technologie. Kritiker wiederum sahen die Abfuhr der Idee als verfrüht – zudem ggf. unterstützt von der Physiker- und ggf. Ölindustrie-Lobby und verglichen die Kalte Fusion mit Errungenschaften, die ebenfalls über Jahre verneint wurden: Wechselstrom, Flugzeuge, Radiowellen… Wer näheres dazu erfahren will, kann sich einfach mal diesen schon etwas älteren Zusammenschnitt der damaligen Debatte ansehen.
Kalte Fusion gilt seitdem bei den meisten Wissenschaftlern weiterhin als Hirngespinnst und verfolgt wird sie dort nur noch selten – zu groß ist auch die Furcht vor dem Verlust seiner eigene Reputation. Auf der wirtschaftlichen Seite wiederum haben sich viele Firmen hervorgetan, die weiterhin die Idee von Fleischmann und Pons verfolgen. Am bekanntesten ist wohl Andrea Rossis „Energy-Catalysator“ (kurz: E-Cat), der sein Produkt angeblich bald auf dem Markt werfen möchte. Rossi ist eine umstrittene Person mit einer dunklen Vergangenheit, die zudem die Funktionsweise des Reaktors als Firmengeheimnis geheim hält. Technisch benötigt der Reaktion ein wenig Wasserstoff und Nickel. Wird das dann erhitzt, entsteht -so Rossi- eine Reaktion, die mehr Hitze erzeugt als hinzugeführt wird. Fertig ist die saubere, spottbillige Wärme- und Stromzufuhr. Erste Anlagen mit 1 Megawatt-Leistung sind angeblich bereits bei Kunden. Militärs sollen auch schon bei Rossis Firma bestellt haben. Ob’s stimmt, weiß keiner so genau.
Auf dem letztjährigen sogenannten E-Cat-Kongress, auf dem die neue Technologie gefeiert wurde, befinden sich duzende Firmen, die ähnliche Modelle verkaufen oder Lizenznehmer von Rossi sind – und zwar vom Megawatt-Reaktor, der in einen Container passt, bis zu einem E-Cat für den Hausgebrauch. So rechnet beispielsweise der deutsche Lizenznehmer, ein Unternehmen der Dobler Heiztechnik vor, dass bei einem voraussichtlichen Jahresverbrauch von 200 Gramm Nickel und 381 Gramm Wasserstoff die jährlichen Rohstoffkosten gerade einmal knapp 6 Euro beträgt. Fantastereien oder tatsächliche Technologie-Wende? Fakt ist nur, dass bislang niemand so richtig weiß, warum bei der kalten Fusion so eine Wärme-Überschuss-Reaktion passiert. Sofern sie wirklich passiert…
… denn Kritiker und Befürworter halten sich hier erstaunlich die Wage. Steven B. Krivit möchte herausgefunden haben, dass Rossi bei seinen Präsentationen schumelt und es sich einfach nur um eine riesige Lüge handelt. Rossi hält mit einem neuen Bericht von Wissenschaftlern der Bolognia Universität (Italien), der Universität von Uppsala (Schweden) und dem Royal Institute of Technology in Stockholm (Schweden) dagegen. Dieser bestätigt die Existenz von Überschuss-Energie im neuen, haushaltsgebräuchlichem Mini-Reaktor E-Cat HT von Rossi. Der Bericht lässt sich hier nachlesen.
Ob das in der Debatte zwischen Gläubigern und Kritikern weiterhilft, wird sich noch zeigen müssen – Fakt ist jedenfalls, dass die Dozenten und Professoren des genannten Berichts tatsächlich existieren (Forbes hat’s geprüft). Damit wagen sich seit dem Fleischmann und Pons-Debakel erstmalig wieder mehrere Wissenschaftler mit Versuchen in die breite Öffentlichkeit. Doch auch sie wissen nicht, was im Reaktor von Rossi genau vorgeht – ein Punkt, der für Kritiker das Paper aus wissenschaftlicher Sicht ohnehin wertlos macht (Reaktion hier, die eine gute Diskursbasis eröffnet). Auf richtige wissenschaftliche Experimente darf man wohl vorerst also erst mal nicht bauen. Da Einige mittlerweile davon ausgehen, dass eigentlich niemand -nicht mal Rossi- so exakt wissen, warum ihre Erfindung funktioniert (wenn sie es tut), liegt auch die Vermutung nahe, dass Rossi auf keinen Fall den gleichen Fehler wie Fleischmann und Pons machen und seinen Reaktor unbeaufsichtigt testen lassen will. Auch spekuliert man über große Ausfallquoten.
Scharlatane oder Visionäre? Ich glaube, die Zukunft wird es uns im Fall Rossi schneller zeigen, als ich dachte – denn neben den Wissenschaftlern, die sich nun zu verantworten haben, haben auch zahlreiche Firmen die Marktreife ihrer Reaktoren angekündigt. Sollten bald wirklich Kalte-Fusions-Einheiten in größerer Stückzahl produziert werden, wird es über kurz oder lang Erkenntnisse geben. Sollten die Firmen und Vertriebe aber bald wieder in der Versenkung verschwinden, dann wissen wir vielleicht noch nicht, ob wirklich alles erstunken und erlogen war – aber wir wissen, dass wir weiterhin so schnell nicht auf eine stabile alternative Energiemethode durch die sogenannte „Kalte Fusion“ bauen müssen. So oder so beobachte ich diesen verrückten „Markt“ mal weiter. Schweden (das einzige Lande, dem Rossi neben Italien seine Erfindung anvertraut – aus welchen Gründen auch immer), hat einen 6-monatigen Test im Sommer angekündigt. Mal sehen, ob sich der Fall Taleyarkhan hier wiederholt.